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Jahreswechsel 2023/2024: Trends und Entwicklungen der Wirtschafts- und Kapitalmärkte

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Ein erneut unruhiges Jahr beschäftigt die ganze Welt. Der Angriffskrieg in der Ukraine ohne absehbares Ende; der Terrorangriff der Hamas auf Israel mit der Sorge auf einen Flächenbrand in Nahost. Die Weltwirtschaft schwächelt, die Prognosen für Deutschland sind verhalten. Und trotz aller Unsicherheiten erreichten die Aktienmärkte 2023 weltweit immense Gewinne. Gemeinsam mit Stefan Pihaule, dem Leiter der Vertriebsunterstützung bei der Naspa, und Martin Stolper, dem Leiter des Private Banking in der Region Idstein/Taunusstein, werfen wir einen Blick zurück auf das Jahr 2023 und wagen einen vorsichtigen Blick auf 2024.

Herr Pihaule, Herr Stolper, was waren im letzten Jahr die prägendsten Momente und Erkenntnisse auf den Wirtschafts- und Kapitalmärkten und wie werden diese das Jahr 2024 beeinflussen?

Stefan Pihaule: Abgesehen von den gesellschaftlich-menschlichen Tragödien, reagierten die Finanzmärkte auf den Nahostkonflikt im Vergleich zu den Entwicklungen in der Ukraine bisher nur kurzfristig. Der Nukleus dafür ist, dass es nicht zu dem Flächenbrand im gesamten arabischen Raum gekommen ist, den man hätte befürchten können. Dennoch erleben wir seit dem Überfall auf die Ukraine eine zunehmende Spaltung der globalen Welt. Auf der einen Seite sehen wir eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Russland und China, auf der anderen Seite versuchen die westlichen Regionen, sich zu verbünden und Einfluss zu nehmen. Zwar haben die USA immer noch einen Anteil von etwa 17 Prozent am weltweiten Bruttoinlandsprodukt, doch China ist ebenbürtig und Indien holt schnell auf. Dies führt zu Herausforderungen, die sich bereits heute beispielsweise in Zöllen oder Handelskriegen entladen.

Martin Stolper: Offensichtlich ist zudem, dass sich Russland zunehmend in Abhängigkeit von China begibt. Dies wurde deutlich, als die Frage aufkam, ob China mit seinen Verbündeten (BRICS) eine zweite Leitwährung einführen würde – ein großes Thema in den Medien. Zwar werden derzeit über 70 Prozent aller weltweiten Transaktionen in US-Dollar abgewickelt, was dem Dollar eine gewisse Macht und Wirkung auf die Weltwirtschaft verleiht. Gleichzeitig versucht China den Handel stärker in die eigene Währung umzulenken.

Stefan Pihaule: Perspektivisch wird sich dies wahrscheinlich fortsetzen. Je stärker das Wirtschaftswachstum in China ist, desto größer wird auch der Druck hin zur Autonomie sein.

Wie sehen Ihre Prognosen für die Konjunktur 2024 aus?

Stefan Pihaule: Es ist davon auszugehen, dass die USA moderat wachsen werden, während Deutschland und Europa mit wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Auch wenn man versucht, das Bild vom „kranken Mann Europas“ zu vermeiden – Deutschland könnte als große Volkswirtschaft im unteren Drittel der Wachstumsprognosen liegen. Externe Faktoren spielen eine große Rolle. Beispielsweise könnte die Abkehr von der Globalisierung hin zu mehr nationalen Wertschöpfungsketten Deutschland als Exportnation belasten. Nettolohnwachstum und hohe Lohnabschlüsse in einigen Branchen könnten dazu beitragen, dass sich der Konsum als wirtschaftliche Stütze erweist.

Martin Stolper: Für Europa insgesamt wird ein mäßiges Wachstum erwartet, aber es wird wahrscheinlich schwer sein, das Potentialwachstum zu erreichen. Viele Unsicherheiten und Fragezeichen prägen die wirtschaftliche Aussicht für das Jahr 2024.

Wird es eine Stabilität geben oder müssen wir mit einer Rezession rechnen?

Stefan Pihaule: Wir können davon ausgehen, dass sich unsere Wirtschaft in einer leichten Rezession befindet. Die Rahmendaten und Umfragewerte, wie zum Beispiel der ifo-Geschäftsklimaindex, deuten jedoch darauf hin, dass die Wirtschaftsdynamik leicht steigen wird. Die meisten Prognosen zeigen, dass sich die Wirtschaft stabilisieren wird und ein geringes Wachstum von etwa einem halben bis maximal einem Prozent per anno zu erwarten ist. Allerdings wäre dies für Deutschland nicht nachhaltig.

Martin Stolper: Es gibt strukturelle Herausforderungen, die Unsicherheit für Privatkundinnen und Privatkunden sowie Unternehmen schaffen – beispielsweise Fragestellungen im Bau- und Immobiliensektor rund um Nachhaltigkeit oder energetische Sanierungsmaßnahmen. Das Investitionsklima ist ungewiss, insbesondere unter Berücksichtigung der Energie- bzw. Strompreise.

Stefan Pihaule: Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Verhalten der Zentralbanken. Es besteht die Möglichkeit auf Zinssenkungen, jedoch werden diese frühestens Ende des zweiten Quartals, aber eher in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Dies könnte jedoch bedeuten, dass die Wirtschaft in der Zwischenzeit schwächelt. Die Inflationsraten könnten weiter sinken und die Wirtschaft wird wahrscheinlich mehr Unterstützung benötigen. Ob uns die Zinssenkungen auf dieser Grundlage gefallen werden, ist eine offene Frage.

Auf den Aktienmärkten erlebten wir 2023 Ungewöhnliches: Trotz sinkender Unternehmensgewinne stiegen die Werte auf Rekordhöhen. Wie ist diese Rallye einzuschätzen?

Stefan Pihaule: Die Kapital- und Finanzmärkte sind derzeit von Unsicherheit und Renditeschwankungen geprägt. Die Aktienkurse stiegen in den USA und in Europa aufgrund der aktuellen Stimmung. Diese Rallye scheint von Fantasien auf eine expansivere Geldpolitik getrieben zu sein, obwohl sich die Gewinnerwartungen der Unternehmen eher moderat darstellen. Die Anlegenden folgen der positiven Entwicklung am Finanzmarkt, um keine Performance zu verpassen; das kann zu einem Herdentrieb führen, da das Kapital oft nach Performancegesichtspunkten allokiert wird. Entscheidungen der Zentralbanken werden die Märkte im nächsten Jahr stark beeinflussen.

Martin Stolper: Dass die Zinsen gesenkt werden, ist derzeit eine Vermutung, die wiederum die Fantasie und damit die Aktienmärkte beflügelt.

Lassen Sie uns einen Blick auf mögliche Investmentstrategien werfen. Welche Trends zeichnen sich für Anlegende 2024 ab?

Martin Stolper: Ich glaube, dass Investmentstrategien zunehmend stärker von aktuellen Themen beeinflusst werden können. Früher war es gängig, in Produkte aus verschiedenen Ländern bzw. Regionen zu investieren, doch inzwischen dominieren auch Trends und Themen die Anlagestrategien. Ein Beispiel hierfür ist das Thema „Gesundheit“ im Zusammenhang mit COVID-19: In der Zeit waren es Impfstoffe oder Tests, die eine große Rolle gespielt haben, jetzt aber eher an Bedeutung verloren haben. Das Thema Gesundheit an sich behält allerdings seinen hohen Stellenwert.

Stefan Pihaule: Auf der anderen Seite erleben wir einen Hype im Bereich generativer künstlicher Intelligenz. Hier bieten sich viele Investitionsmöglichkeiten, da Unternehmen in diesem Sektor die Entwicklung von Technologien vorantreiben, die zukünftige Innovationen ermöglichen. Die finanziellen Strömungen werden stark von diesen übergeordneten Themen geleitet. Und auch wenn Zeitpunkt und Dauer dieser Trends eher schwer abzuschätzen sind, bieten diese Themen interessantes Potential – unter Berücksichtigung möglicher Risiken, wie Kursveränderungen oder -verlusten.

Wie kann ein Investitionsansatz gestaltet werden, um eine angemessene Diversifikation zu erreichen und gleichzeitig von verschiedenen Trends zu profitieren?

Martin Stolper: Eine effektive Investmentstrategie könnte darin bestehen, einen Kern- und Satellitenansatz zu verfolgen. Das heißt, es gibt ein Kernportfolio mit beispielsweise klassischen europäischen Aktien, weltweiten Aktien und deutschen Aktien nach persönlicher Präferenz, Anlagementalität und entsprechender Risikobereitschaft, während mit Themeninvestitionen diversifiziert wird. Dies kann eine Teilhabe an Trends ohne Überexposition ermöglichen. Weitere Trendthemen können Verkehrssysteme, Infrastruktur, Robotik oder Internetsicherheit sein.

Stefan Pihaule: Um ergänzend eine weitere Diversifikationsmöglichkeit zu nennen, ist sicherlich auch ein gewisser Fokus auf verschiedene Regionen wie Schwellenländer zu legen, denn diese haben aus Sicht der Wertentwicklung Aufholungspotential.

Gibt es überdies ungewöhnliche oder unerwartete Trends oder Themen im Investmentbereich?

Stefan Pihaule: Haustiere, kurz Pets. Dazu gehören Aspekte wie Tiergesundheit, Tiernahrung, Tierpflege und Tierbetreuung. Der Markt für Heimtiere wächst stetig, da die Menschen bereit sind, für ihre Haustiere zunehmend mehr Geld auszugeben. Vor drei Jahren haben 40 Prozent der Tierhalter ihren Tieren Geschenke gemacht, heute sind es 70 Prozent. Auch die Nachfrage nach hochwertigem Tierfutter, spezieller Pflege, aber auch Versicherungen für Haustiere steigt.

Zurück zu den klassischen Themen: Welche Bewegungen sind auf dem Rohstoffmarkt zu erwarten?

Stefan Pihaule: Die Rohstoffmärkte werden von geopolitischen Faktoren beeinflusst, insbesondere im Rohölbereich von der OPEC, die neue Verbündete sucht, um ihren Einfluss auf die Ölproduktion zu sichern. Die arabischen Länder streben zu ihrer Staatsfinanzierung einen höheren Ölpreis an, was zu einem Anstieg der Rohstoffpreise führen könnte. Die Nachfrage nach Industriemetallen dürfte aufgrund der schwachen Weltkonjunktur gedämpft bleiben, mit Ausnahme bestimmter Nischenmärkte wie Silizium für die Chipherstellung. Anlegende sollten die geopolitische Lage und vor allem die US-Wahlen im Auge behalten.

Wir erleben derzeit Spannungen auf den Immobilienmärkten – die Baubranche stockt und bei den Gewerbeimmobilien sind Nachwirkungen der Corona-Pandemie wahrnehmbar. Wie schätzen Sie die langfristige Entwicklung und Stabilität des Immobilienmarktes ein?

Martin Stolper: Die Immobilienmärkte befinden sich noch in einer Phase der Unsicherheit. Eine entscheidende Frage ist, wo sich der Boden für die Immobilienpreise befindet. Die langfristigen Prognosen für den Wohnimmobilienmarkt sind optimistisch, der Mangel an Neubauten begrenzt das Angebot und treibt die Preise wie auch Mieten in die Höhe. Dies führt vorübergehend zu einer Delle auf dem Wohnimmobilienmarkt, die jedoch von vielen als vorübergehend angesehen wird. Gewerbeimmobilien, insbesondere in B-Lagen, sind derzeit von den Auswirkungen der Corona-Pandemie und dem Trend des mobilen Arbeitens betroffen, insbesondere wenn sie eine schlechte infrastrukturelle Anbindung haben. In Metropolen und Top-Lagen besteht weiterhin eine Nachfrage nach gut verwalteten, energieeffizienten und nachhaltigen Objekten.

Stefan Pihaule: Die Entwicklung der Immobilienmärkte hängt stark von der Zinsentwicklung ab. Niedrige Zinsen führen zu einer erhöhten Nachfrage nach Immobilien, während hohe Zinsen die Erschwinglichkeit von Immobilienkäufen einschränken.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ergänzender Tipp der Redaktion:

Anknüpfend an dieses Interview oder im Vorfeld Ihres Termins schauen Sie sich gerne zu Themen, die Sie interessieren, auf unserer Dossier-Seite um.

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Die vorstehenden Angaben und die Darstellungen stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Die Informationen sind weder ein Angebot noch eine direkte oder indirekte Empfehlung für den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten und ersetzen nicht eine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung. Sie dienen ausschließlich Ihrer Information. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Bei Bedarf setzen Sie sich deshalb bitte mit Ihrer zuständigen Beraterin oder Ihrem Berater in Verbindung. Bei diesem Dokument handelt es sich um eine Marketingmitteilung i. S. d. WpHG. Die hier enthaltenen Aussagen geben unsere aktuelle Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Diese kann sich jederzeit ohne Ankündigung ändern.

Foto: Ka Iki/adobestock.com

22.01.2024

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