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Nießbrauch bei Immobilien: Strategische Übertragung von Vermögen

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Vermögen auf die nächste Generation zu übertragen kann steuerliche Belastungen nach sich ziehen. Durch eine strategisch geplante Vermögensübertragung zu Lebzeiten – Stichwort Nießbrauch – können diese reduziert werden. Welche Ansätze im Rahmen des Nießbrauchs möglich sind, erfahren Sie in diesem Dossier. Den Schwerpunkt legen wir auf Immobilien.

Es gibt zahlreiche Gründe, die für eine vorzeitige Übertragung des Vermögens (zu Lebzeiten) an die Nachkommen sprechen. Beispielsweise um eine eventuelle Steuerlast – ob Schenkungs- oder spätere Erbschaftssteuer – zu minimieren oder auch um eventuelle Streitigkeiten zu vermeiden. „Erbangelegenheiten können komplex sein und werden oftmals unterschätzt. Selbst mit einem sorgfältig aufgesetzten Testament können sie zu finanziellen Herausforderungen führen, insbesondere wenn das zu vererbende Vermögen den staatlich gewährten Freibetrag überschreitet und Erbschaftssteuer anfällt“, berichtet Thomas Wirth, Leiter Private Banking Region Bad Schwalbach/Rheingau. Eine Option, Privatvermögen an Nachkommen wie Kinder und Enkelkinder zu übertragen, ist die individuelle vertragliche Gestaltung eines Nießbrauchs.
Der Nießbrauch ermöglicht nicht nur eine flexible Vermögensübertragung, er kann unter gewissen Voraussetzungen Einsparungen bei der Steuerlast mit sich ziehen, was für die Vermögensnachfolge besonders interessant sein kann.

Nießbrauch: Definition und gesetzlicher HintergrundDas Nießbrauchrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Es ermöglicht einer Person, das Eigentum einer anderen Person zu nutzen. Der Nießbrauch kann sich auf Sachen, Rechte oder Vermögen beziehen und kann weder verkauft noch vererbt werden. Die genauen Bestimmungen dazu finden sich in den Paragraphen 1030 ff. BGB für Sachen, 1068 ff. BGB für Rechte und 1085 ff. BGB für Vermögen.

So kann bspw. Eigentum frühzeitig von den Eltern an ihre Kinder übertragen werden bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Nießbrauchs, so dass den Eltern auch nach der Eigentumsübertragung Nutzungs- und Fruchtziehungsrechte verbleiben. Immobilien können so im Rahmen einer privaten Vermögensplanung respektive -nachfolge unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs steuerlich begünstigt an die nächste Generation übertragen werden. Kurz gesagt: Nießbrauch ermöglicht es Vermögenden, Eigentum zu übertragen, während sie weiterhin Nutzungen aus diesem ziehen können. Gerade bei Immobilien ist der Nießbrauch, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, eine beliebte Möglichkeit, Vermögen zu übertragen. 

Wie dies aussehen kann, erklärt Thomas Wirth: „Die zukünftigen Erbenden übernehmen das Eigentum bereits zu Lebzeiten – meist in Form einer Schenkung –, während die Schenkenden ein lebenslanges Wohn- oder Nutzungsrecht an dem Haus oder der Wohnung behalten. Die Nießbrauchnehmenden haben also das Recht, dort zu wohnen, oder den Anspruch auf die Mieteinnahmen. Eine solche Vereinbarung bedarf einer notariellen Beurkundung. Das Nießbrauchrecht wird in der Abteilung II im Grundbuch eintragen.“ 

Drei gängige Arten von Nießbrauch:

  1. Vorbehaltsnießbrauch
    Definition: Beim Vorbehaltsnießbrauch überträgt die bisherige Eigentümerin oder der bisherige Eigentümer das Eigentum an einer Sache oder einem Recht an jemand anderen und behält sich das Recht vor, Nutzungen aus dem Vermögensgegenstand bzw. dem Recht zu ziehen. Bei Immobilien bedeutet das in der Regel, dass sich die bisherigen Eigentümer/-innen die Nutzung oder die Mieteinnahmen vorbehalten. Der Vorbehaltsnießbrauch ist die am häufigsten genutzte Form des Nießbrauchs in der Praxis.
  2. Zuwendungsnießbrauch
    Definition: Der Nießbrauchnehmer erhält das Recht zur Nutzung und Fruchtziehung. Dem Eigentümer bleibt jedoch das Verfügungsrecht.
  3. Nießbrauchvermächtnis
    Definition: Das Nießbrauchvermächtnis entsteht durch letztwillige Verfügung per Testament oder Erbvertrag. Der Erblasser oder Erblasserin legt darin fest, dass die erbende Person einer anderen Person einen Nießbrauch als Vermächtnis einräumen muss.

Nießbrauch in der Praxis: Übertragung von Immobilien

Folgendes Beispiel zeigt eine vereinfachte Darstellung, wie Nießbrauch angewendet werden kann (ohne rechtlichen Anspruch): 
Barbara C., 70 Jahre, besitzt unter anderem ein vermietetes Haus mit einem aktuellen Verkehrswert von 700.000 Euro, welches sie bereits jetzt an ihren Sohn Viktor übertragen möchte. Die Mieteinkünfte liegen bei 35.000 Euro im Jahr. Würde Barbara C. das Haus an ihren Sohn verschenken, müsste Viktor nach Abzug des Freibetrags von aktuell 400.000 Euro auf die verbleibenden 300.000 Euro Schenkungssteuerin Höhe von 33.000 Euro (11 % lt. Erbschaftssteuertabelle 2024*) an das Finanzamt zahlen. Behielte sich die Mutter einen Nießbrauch an den Mieterträgen vor, betrüge der Wert der Immobilie nach aktuellem Stand rund 310.000 Euro. Schenkungssteuer würde in dem Fall nicht anfallen, sofern der Sohn keine weiteren Schenkungen im Rahmen der 10-Jahres-Frist erhalten hat. 

Der zu versteuernde Wert errechnet sich wie folgt: 
Verkehrswert der Immobilie 700.000 Euro ./.Kapitalwert 390.000 Euro (= Jahreswert durch Mieteinkünfte 35.000 Euro x Faktor nach der Kapitalwerttabelle des Bundesfinanzministeriums 11,099**). 

„Ein Vorteil des Nießbrauchs liegt gewiss in der Optimierung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Doch sollte auch berücksichtigt werden, dass eine Immobilie, die mit einem Nießbrauch belastet ist, beim Verkauf weniger wert ist, da sie nicht vom Käufer oder von der Käuferin genutzt werden kann bzw. keine Mieteinahmen während der Dauer des Nießbrauchs generiert werden können. Generell erfordert Nießbrauch mit seinen Formen und Möglichkeiten eine sorgfältige rechtliche Gestaltung. Daher sollten immer Fachleute für Recht und Steuerrecht hinzugezogen werden“, merkt Thomas Wirth an.
 

Rechtliche Sicherheit schaffen

Wie auch immer die konkrete Lösung für die vorzeitige Vermögensübertragung am Ende aussieht: Eine Entscheidung sollte immer auf einer umfassenden und langfristigen Finanzplanung basieren und nicht allein aus steuerlichen Erwägungen heraus getroffen werden. Um mögliche Fallstricke bei Ihrer Vermögensplanung zu umgehen, steht Ihnen Ihre Private Banking-Beraterin oder Ihr Private Banking-Berater gerne koordinierend zur Seite. Hierbei ziehen wir Ihre Steuer- und Rechtsberatenden sowie bei Bedarf weitere Sachverständige mit ein. Besprechen Sie Verträge in jedem Fall mit einer Fachanwältin oder einem Fachanwalt und lassen Sie diese rechtlich prüfen. 

Quellen:
* DAHAG: „Erbschaftssteuer (2024): Höhe, Freibeträge, Ausnahmen“
** Bundesfinanzministerium: „Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen“

Disclaimer: 
Die vorstehenden Angaben und die Darstellungen stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Die Informationen sind weder ein Angebot noch eine direkte oder indirekte Empfehlung für den Erwerb oder die Veräußerung von Vermögenswerten und ersetzen nicht eine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung. Sie dienen ausschließlich Ihrer Information. Bei Bedarf setzen Sie sich deshalb bitte mit Ihrer zuständigen Beraterin oder Ihrem Berater in Verbindung. Die hier enthaltenen Aussagen geben unsere aktuelle Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Diese kann sich jederzeit ohne Ankündigung ändern.

Foto: Drazen/adobestock.com

12.02.2024

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