Hauptnavigation

Verliert das Betongold an Glanz? Wie ist die Lage auf dem regionalen Immobilienmarkt?

Zurück zu den Dossiers

Steigende Zinsen, hohe Baukosten auf der einen Seite, fehlende Fachleute, rückläufige Baugenehmigungen auf der anderen. Treiber sind die Inflation, die Leitzinserhöhung und der Angriffskrieg in der Ukraine. Hat sich die Hausse auf dem Immobilienmarkt zur Baisse entwickelt? In unserem jährlichen Experten-Gespräch mit Oliver Schwank, Geschäftsführer der Naspa Immobilien GmbH, wollten wir wissen, wie sich das aktuelle Geschehen auf den regionalen Immobilienmarkt auswirkt. Das sei schon mal gesagt: Es ist im Moment recht diffizil, nicht aber hoffnungslos.

Herr Schwank, lassen Sie uns zuerst aus der Vogelperspektive auf den Immobilienmarkt schauen. In den Nachrichten heißt es, die Zeiten auf dem Immobilienmarkt werden schlechter – für Käufer ebenso wie für Verkäufer; die Preise fallen, die Zinsen steigen. Immobilienfirmen gehen pleite, Baugenehmigungen werden nicht vergeben. Läuft der ganze Markt jetzt völlig aus dem Ruder?
Das Drama, wenn man es so nennen kann, begann etwa im Januar 2023: Die Preise auf dem Immobilienmarkt gingen rapide zurück. Die Darlehenszinsen für Baufinanzierungen sind seit Herbst 2022 blitzartig gestiegen. Schauen wir kurz auf den Leitzins, der mit der beschlossenen Zinswende der EZB von Juli 2022 bis September 2023 in zehn Schritten von Null auf 4,5 Prozent angehoben wurde. Für eine Baufinanzierung mit einer 10-jährigen Zinsfestschreibung ist derzeit mit rund 4 bis 4,5 Prozent effektivem Darlehenszins per anno zu rechnen plus der Tilgungsleistung. Insgesamt ist die Finanzierung im Jahr 2023 im Vergleich zum Jahr 2022 teurer geworden. Diese Entwicklung kann Risiken bergen. Sprechen Sie daher frühzeitig Ihre Private Banking-Beraterin oder Ihren Private Banking-Berater an, um über Möglichkeiten der Zinsabsicherung zu sprechen.

Wie hat sich das auf den Immobilienmarkt hier in der Region – Wiesbaden, Rhein-Main, Rheingau, Limburg – ausgewirkt?
In unserer Region haben wir mit dem sprunghaften Anstieg der Zinsen im Januar/Februar eine interessante Entwicklung beobachtet: In Wiesbaden, Frankfurt und im Main-Taunus-Gebiet erlebten wir geradezu eine Schockstarre im Immobiliensektor. In den ländlichen Regionen wie Rhein-Lahn, Westerwald, Limburg oder Hochtaunus haben wir dagegen kaum Veränderungen in Bezug auf Angebot und Nachfrage bzw. Kauf- und Verkaufsverhalten gespürt. Seit April, Mai hat sich das Blatt gewendet und in den ländlichen Regionen stagniert die Situation eher und in den Ballungsgebieten nehmen wir wieder Fahrt auf.

Das heißt?
Wir haben momentan einen ausgesprochen großen Auftragsbestand. Wir verkaufen gut. Allerdings hauptsächlich über den Preis. Der ist entscheidender denn je. Zusätzlich spielt der Zustand der Immobilie eine wesentliche Rolle, vor allem der energetische. Käuferinnen und Käufer rechnen bei ihrer Immobilienfinanzierung entweder die Sanierung einer Bestandsimmobilie mit ein oder sie erwarten ein Haus in einem Top-Zustand. Im oberen Luxussegment sind besonders Unikate gefragt.

Was ist Ihrer Meinung nach ausschlaggebend?
Ich denke, die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes, kurz GEG, mit seiner energetischen Sanierungspflicht, die auf Käuferinnen und Käufer oder Erbende von Bestandsimmobilien zukommt, spielt eine wesentliche Rolle. Nach einem Eigentümerwechsel müssen Öl- und Gasheizungen, die länger als 20 Jahre in Betrieb sind, innerhalb von zwei Jahren durch ökonomischere, umweltschonendere Heizungen ersetzt werden. Ab 2024 muss jede neu eingebaute Heizung – ob in Neubau oder Bestandsgebäude – mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Diese Neuerungen und Auflagen verunsichern im Allgemeinen. Viele überlegen jetzt, ob es sich überhaupt lohnt, ein kleines Haus für 350.000 Euro beispielsweise im Westerwald zu kaufen, wenn in den nächsten zwei Jahren noch mal 60.000 Euro für eine energetische Sanierung investiert werden müssen.

In den Ballungsgebieten wie Wiesbaden und Umgebung, sagen Sie, hat sich die Situation etwas entspannt. Die Nachfrage ist verhalten, aber nicht bedrohlich.
Ja, im Bereich Luxusimmobilien ist die Nachfrage stabil im Verhältnis zur Gesamtlage auf dem Immobilienmarkt. Für Vermögende sind die Kosten für erforderliche Sanierungsmaßnahmen weniger herausfordernd, dass es sich um eine besondere Immobilie handelt, ist eher von Interesse. Meist muss der Kauf auch nicht über ein Immobiliendarlehen finanziert werden.

Wie hoch schätzen Sie den Abwärtstrend bei den Immobilienpreisen ein?
Im Schnitt sehen wir seit Oktober 2022 hier in der Region einen Preisrückgang von etwa 10 bis 15 Prozent.

Macht sich der Rückgang auch bei Mehrfamilienhäusern bemerkbar?
Bei Mehrfamilienhäusern ist die Situation komplizierter: Die Kosten für den gesamten Aufwand, nicht nur für die Sanierung, sondern für die Instandhaltung wie Reparaturen, Nebenkosten etc., sind inzwischen extrem hoch – sofern Sie überhaupt qualifizierte Fachleute bekommen, Stichwort: Fachkräftemangel. Ein Beispiel aus diesem Sommer: Es regnet vier Wochen, das Dach Ihres Hauses ist undicht, doch von den wenigen Dachdeckern, die es noch gibt, hat in den folgenden sechs Wochen keiner Zeit. Jetzt stellen Sie sich vor, das ist bei 10 Häusern der Fall. Was passiert? Hat die Hausverwaltung einen gut organisierten Pool an Handwerkern, welche auf Abruf zur Seite stehen, haben Sie Glück und es wird Ihnen geholfen. Wenn Sie allerdings Ihr Haus selbst verwalten und erst noch einen externen Dienstleister suchen müssen, dann kann dies eine Herausforderung darstellen, die möglicherweise nicht so schnell zu lösen ist. Mieteinnahmen können solche Herausforderungen schwer auffangen bzw. kompensieren, schon gar nicht, wenn mir als Käufer in den heutigen Zeiten eine 7- bis 8-prozentige Mietrendite vorschwebt, damit sich das Investment als Kapitalanlage rentabel darstellt. Als Investitionsobjekt sind Mehrfamilienhäuser somit ebenfalls hauptsächlich über den Preis interessant. Und dennoch: Immobilien können einen interessanten Ertragsbaustein im Rahmen einer ausgewogenen Vermögensstruktur darstellen. Fakt ist, die Nachfrage ist im Bereich Mehrfamilienhäuser rückläufig.

Sollte man jetzt sein Portfolio anders gewichten, „Immobilien raus“? Oder anders gefragt: Wann lohnt eine Investition in ein Mehrfamilienhaus?
In einer ganzheitlichen Anlagestrategie werden Immobilien ein Teil eines ausgewogenen Portfolios bleiben. Wenn Sie mehrere Immobilien besitzen, ist jetzt sicher ein guter Zeitpunkt für einen Check: Wo stehe ich energetisch mit meinem Haus, was muss ich investieren, was hat Priorität? Was lohnt sich und wann? Als Kapitalanlage lohnt sich eine Immobilie weiterhin – und zwar dann, wenn es eine preislich attraktive Gelegenheit gibt. Das macht den Markt im Moment wiederum interessant.

Ist trotz der Situation jetzt ein guter Zeitpunkt zu verkaufen?
Ja, die Marktlage wird vorerst so bleiben. Mein Rat: Wenn Sie verkaufen wollen, gehen Sie mit uns ins Gespräch. Wir ermitteln gern den Wert Ihrer Immobilie und erörtern mit einem versierten Spezialisten-Team, ob Ihre Immobilie den aktuellen energetischen Standards entspricht. Sollte es hierbei Handlungsbedarfe geben, dann beleuchten wir mit Ihnen die hierfür nötigen Maßnahmen inklusive entsprechender Kosten. Auch für Mehrfamilienhäuser ermitteln wir den Verkehrswert und prüfen den energetischen Zustand. Darüber hinaus bieten wir für Mehrfamilienhäuser die ganze Bandbreite der Verwaltungsarbeit an – von der baulichen und technischen Bestandsaufnahme über die Instandhaltung und Instandsetzung bis hin zur finanziellen Betreuung.*

Apropos Betreuung: Bauträger, Immobilienunternehmen, Maklerbüros – die Branche erlebt schwere Zeiten, einige mussten bereits Insolvenz anmelden. Schwierige Zeiten sind immer eine Herausforderung und verlangen nach Veränderung. Wie gehen Sie und Ihr Team damit um? Muss auch Betreuung respektive Beratung in dieser Zeit neu definiert werden?
Ja, ganz klar. Mit der Veränderung auf dem Markt haben sich die Bedürfnisse und natürlich auch die Sorgen verändert. Das heißt, jetzt geht es noch viel mehr darum, auf diese einzugehen, nachzufragen, viel Raum für Fragen zu lassen, die Kundin und den Kunden an die Hand zu nehmen und Lösungen zu finden – mit einer ganzheitlichen Beratung. Es ist noch mehr Fingerspitzengefühl gefragt als bisher. Mit dieser neuen Herausforderung haben wir auch unser Team entsprechend aufgestellt und stehen gerne für den Austausch zur Verfügung.

Lassen Sie uns abschließend noch einen Blick in die Zukunft werfen – soweit möglich. Wie sind Ihre Einschätzungen für die nächsten zwei bis fünf Jahre?
Ich glaube, dieser Herbst wird stürmisch. Die EZB hat am 14.09.2023 beschlossen den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent anzuheben, um die Inflation weiter zu bändigen. Zum anderen läuft offiziell die Gaspreis- und die Strompreisbremse zum Ende des Jahres aus. Der Bundestag hat am 8. September 2023 die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) verabschiedet; nun muss es noch durch den Bundesrat, sodass es zum 01.01.2024 in Kraft treten kann. Das alles kann zu weiteren Turbulenzen auf dem Immobilienmarkt führen und die Preise weiter unter Druck setzen. Wir befinden uns in einem volatilen Marktumfeld. Meiner Meinung nach werden die Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Immobilienmarkt damit eingeschränkt. Natürlich werden Immobilien weiterhin verkauft. Wer bereit ist, im Preis nachzugeben, findet Käufer bzw. Käuferinnen. Und wer Kapital hat, wird die passende Immobilie finden. Wie sich der Immobilienmarkt in den nächsten Jahren entwickeln wird, wird auch von politischen Entscheidungen abhängen. Es bleibt schwierig, aber nicht hoffnungslos.

* Quelle: Immobilien verwalten - www.naspaimmobilien.de, Abruf 08/23

Disclaimer: 
Die vorstehenden Angaben und die Darstellungen stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Die Informationen sind weder ein Angebot noch eine direkte oder indirekte Empfehlung für den Erwerb oder die Veräußerung von Vermögenswerten und ersetzen nicht eine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung. Sie dienen ausschließlich Ihrer Information. Bei Bedarf setzen Sie sich deshalb bitte mit Ihrer zuständigen Beraterin oder Ihrem Berater in Verbindung. Die hier enthaltenen Aussagen geben unsere aktuelle Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Diese kann sich jederzeit ohne Ankündigung ändern.

Foto: oldwar/adobestock.com

18.09.2023

Nehmen Sie jetzt Kontakt zu unseren Private Banking-Beratern auf oder vereinbaren Sie direkt einen Beratungstermin.

 Cookie Branding
i