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Patchworkfamilien

Patchworkfamilien – ein Modell, das heute ganz normal zum modernen Familienbild gehört. Wie geht das gesetzliche Erbrecht mit dieser Familienform um? Nicht gerade zeitgemäß. Sind keine Regelungen für den Todesfall z. B. durch Testament oder notariellen Erbvertrag getroffen worden, greift die gesetzliche Erbfolge. Danach erben in erster Linie die leiblichen Kinder und der überlebende Ehegatte. Dies kann zur ungewollten Verteilung des Nachlasses führen und Familienstreitigkeiten nach sich ziehen.

Vielfältige Familienmodelle
Für die Familienforschung sind Patchworkfamilien das Familienmodell der Zukunft. Für amtliche Statistiken bleiben sie schwer erfassbar. Zu unterschiedlich sind Familientypen und -konstellationen. Und: Noch nie waren sie so vielfältig wie heute – verheiratete oder unverheiratete Eltern, Alleinerziehende oder gleichgeschlechtliche Paare mit Kind. In amtlichen Haushaltsstatistiken werden zwar alle im Haushalt lebenden Kinder erhoben, das heißt, auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder, doch der Familientyp selbst wird nicht berücksichtigt.

Bei den fast 12 Millionen Familien in Deutschland rechnet das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (BMFSFJ) immerhin mit etwa 7–13 Prozent Stief- bzw. Patchworkfamilien*.

Erbfolge bei Patchworkfamilien
Unabhängig von der Form einer Patchworkfamilie und unabhängig davon, wie lange Stiefkinder mit der „neuen“ Familie zusammenleben oder wie emotional deren Bindung zum nichtbiologischen Elternteil ist, das Erbrecht orientiert sich am klassischen Familienmodell. Das heißt, Stiefkinder sind weder erbberechtigt noch pflichtteilsberechtigt. Auch nicht, wenn sie von einem Stiefelternteil großgezogen wurden und/oder den Namen angenommen haben. Ohne Adoption fällt der Nachlass an die gesetzlichen Erben. Adoptierte Kinder haben gegenüber ihren Adoptiveltern jedoch die gleichen Erb- und Pflichtteilsrechte wie leibliche Kinder.

Hinsichtlich der vielfältigen Familienmodelle hat sich am gesetzlichen Erbrecht – seit Inkrafttreten am 1. Januar 1900 – nichts geändert. Bis heute orientiert es sich am veralteten Familienmodell und wurde nicht angepasst. Ergo: Ist testamentarisch nichts geregelt, kann der (Patchwork-)Familienfrieden gefährdet sein.

Beispiel: Erbfall Ehegatten mit Kind und Stiefkind
Martin und Anna leben in zweiter Ehe. Neben ihrem liquiden Vermögen besitzen sie eine kleine Villa am Stadtrand von Wiesbaden. Beide haben jeweils ein Kind aus erster Ehe mitgebracht. Im Todesfall von Martin erben nach dem Gesetz sein leibliches Kind Tara und seine Witwe Anna. Annas Tochter Emma geht leer aus. Stirbt auch Anna, ist es Emma, die ausschließlich erbt. Das heißt, sie bekommt Annas Vermögen inklusive dem Anteil von Martins Nachlass, der damals an Anna überging. Tara, Martins leibliche Tochter, geht dann leer aus bzw. hat keinen Erbanspruch. Kinder des Längstlebenden erben also mehr als ihre Stiefgeschwister – unabhängig von welchem Elternteil das Vermögen stammt.

Sollen alle Kinder erben, könnten sie in einem gemeinschaftlichen Testament als gleichberechtigte Mit-/Erben oder Schlusserben eingesetzt werden.

Beispiel: Erbfall Unverheiratete mit Kind und Stiefkind  
Martin und Anna sind nicht verheiratet, leben mit ihren jeweiligen Kindern seit 10 Jahren unter einem Dach. Im Todesfall von Martin erbt ausschließlich sein leibliches Kind Tara. Seine Partnerin Anna geht leer aus, da bei einem nichtverheirateten Paar die Partnerin oder der Partner gesetzlich nicht erbberechtigt ist. Ob Anna und ihre Tochter z. B. in der Villa wohnen bleiben können, müssen sie mit Tara klären.

Soll die Partnerin oder der Partner über das Vermögen des Erblassers verfügen können, bestünde eine Möglichkeit darin, den jeweiligen Partner im Testament als Vorerben und die eigenen Kinder als Nacherben einzusetzen. Da die möglichen Konstellationen unterschiedliche Rechte und Pflichten nach sich ziehen, ist es wichtig, sich im Vorfeld rechtlich und steuerrechtlich beraten zu lassen.

Beispiel: Erbfall mit minderjährigen Kindern
Martin und Anna leben mit ihren (Stief-)Kindern Tara, 11, und Emma, 12 Jahre, in zweiter Ehe. Gehen wir wieder davon aus, dass Martin verstirbt. Da Tara noch minderjährig ist, hat ihre leibliche Mutter, Martins geschiedene Frau, das Recht, das ererbte Vermögen des Kindes zu verwalten. Anna muss sich wohl oder übel mit ihr über die Vermögensverteilung und somit auch über die weitere Nutzung der Villa auseinandersetzen.
 
Soll z. B. ausschließlich die neue Ehegattin das Erbe des minderjährigen leiblichen Kindes des Erblassers verwalten, kann sie als Testamentsvollstreckerin im Testament eingesetzt werden.

Generell kann der Erblasser in seinem Testament jemand anderen als die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Erbin für die Verwaltung des ererbten Vermögens benennen.

Beispiel: Erblasser hat keine eigenen Kinder
Martin hat keine Kinder; Anna ein Kind: Sind beide verheiratet, wird Martin unter Umständen nicht alleine von seiner Witwe, sondern auch von seinen nächsten Angehörigen beerbt. Sind beide nicht verheiratet, erben seine nächsten Angehörigen. Ein Testament kann hier unliebsame Überraschungen vermeiden.

Mit einem Testament / Erbvertrag Sicherheit schaffen
Soll die gesetzliche Erbfolge geändert werden, ist ein Testament bzw. Erbvertrag unerlässlich.
 „Gerade bei Patchworkfamilien mit hohem Vermögen bedarf es Fingerspitzengefühl und Sorgfalt bei der Nachfolgeplanung“, betont Martin Stolper, Leiter Private Banking der Region Idstein/Taunusstein bei der Naspa. „Bei Eheleuten mit gemeinsamen Kindern stimmen die erbrechtlichen Vorstellungen beider Elternteile meist überein. Bei Patchworkfamilien mit eigenen Kindern aus erster Ehe, Stiefkindern und vielleicht weiteren gemeinsamen Kindern in zweiter Ehe gibt es dagegen oftmals Regelungsbedarf. Jeder Schritt sollte gut überlegt und am besten mit einem Experten besprochen werden.“

Ihr Private Banking-Berater steht Ihnen gerne koordinierend und unterstützend zur Seite. Simulationen Ihres liquiden Anlagevermögens auf Basis Ihrer bisherigen Regelungen können aufgezeigt und in Zusammenarbeit mit Ihrem Notar, Rechtsanwalt oder Steuerberater optimiert werden.

* https://www.bmfsfj.de/blob/76242/1ab4cc12c386789b943fc7e12fdef6a1/monitor-familienforschung-ausgabe-31-data.pdf und https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2281/umfrage/anzahl-der-familien-in-deutschland, Abruf 1/2019

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